
„Ich hab vergessen, wie sich Nähe anfühlt.“
Das sagt Herr K., 72, der im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses in der Paderborner Südstadt lebt. Jeden Morgen geht er die Treppen hinunter, holt sich beim Bäcker ein Brötchen, nickt kurz – und geht zurück. Kein Gespräch. Kein Besuch. Kein gemeinsamer Kaffee. Seit seine Frau gestorben ist, ist der Fernseher sein einziger Mitbewohner.
Einsamkeit – das ist nicht nur ein Gefühl. Es ist eine stille soziale Krise. Und sie ist auch in der Paderborner Südstadt längst angekommen.

Was macht das mit uns als Gesellschaft?
Die Antwort ist erschreckend: Einsamkeit macht krank.
Sie erhöht das Risiko für Depressionen, Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Sie frisst Mut, Selbstvertrauen – und manchmal sogar den Lebenswillen.
In einer Gesellschaft, in der immer mehr Menschen auf sich allein gestellt sind, zerbricht das, was uns eigentlich stark macht: Gemeinschaft.
In der Südstadt von Paderborn sehen wir diese Entwicklung ganz konkret.
Menschen, die früher aktiv im Viertel waren, tauchen ab. Die AWO-Treffs, die Seniorengruppen, die Spielplätze – sie sind wichtig, aber oft fehlt das Personal oder die Mittel, um niedrigschwellige Angebote regelmäßig anzubieten.
Und immer wieder hören wir von Menschen, die sagen:
„Ich wüsste gar nicht, wohin ich gehen sollte.“

Warum das Thema in die Mitte der politischen Debatte gehört
Einsamkeit ist kein Luxusproblem. Es ist eine direkte Folge sozialer Ungleichheit. Wer wenig hat, kann sich selten ein aktives soziales Leben leisten: kein Café, kein Sportverein, kein Theater. Und wer wenig Rückhalt hat, verliert schneller den Anschluss.
Deshalb müssen wir politisch gegensteuern:
mit verlässlich finanzierter Quartiersarbeit,
mit offenen Treffpunkten für jedes Alter,
mit Förderung ehrenamtlicher Strukturen,
mit aktiver Nachbarschaftspolitik – von Menschen für Menschen.
In der Paderborner Südstadt arbeiten viele Initiativen bereits engagiert daran. Aber es fehlt oft an verlässlicher Unterstützung – und an politischem Willen, das Thema sichtbar zu machen.
Was hilft wirklich? Nähe statt nur Netzwerke.
Räume statt nur Reden.
Wenn wir Einsamkeit bekämpfen wollen, brauchen wir nicht noch ein Förderprogramm auf Papier – sondern echte Begegnung.
Ein Beispiel aus der Südstadt:
Die regelmäßigen Gesprächskreise im AWO-Treff.
Einmal in der Woche kommen hier Menschen zusammen, reden, lachen, erzählen – viele von ihnen sagen: „Das ist mein einziger Termin in der Woche.“
So einfach. So wichtig.
Oder der kleine Bücherschrank im Park – ein Ort, der mehr ist als ein Regal.
Hier bleiben Menschen stehen. Kommen ins Gespräch. Finden Anschluss.
Und plötzlich beginnt etwas, das lange fehlte: Zugehörigkeit.

Schlussgedanke: Niemand soll übersehen werden
In einer Gesellschaft, die immer schneller wird, darf niemand zurückbleiben, nur weil er oder sie still geworden ist.
Die Südstadt ist kein Randgebiet. Sie ist ein Spiegel unserer Stadt. Und wenn wir dort Wege aus der Einsamkeit finden – dann ist das mehr als Sozialpolitik.
Dann ist das eine Frage der Menschlichkeit.
Wir brauchen Begegnungsorte. Wir brauchen Mut zur Nähe. Und wir brauchen politische Konzepte, die nicht nur Verwaltung kennen, sondern auch Verantwortung.
Denn Würde beginnt dort, wo Menschen sich gesehen fühlen.