Die neuesten Steuerschätzungen sind düster: Nächstes Jahr wird der Bund 11 Milliarden Euro weniger einnehmen als gedacht. Insgesamt müssen Bund, Länder und Kommunen mit rund 22 Milliarden Euro weniger rechnen. Und wie reagiert Bundesfinanzminister Christian Lindner? Er schlägt vor, im Sozialstaat zu sparen. Diese Nachricht hat mich wirklich aufgewühlt und ich möchte erklären, warum ich das für den falschen Weg halte.
Wirtschaftliche Fehlprioritäten
In Krisenzeiten sind staatliche Ausgaben unerlässlich, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Lindners Ansatz, inmitten einer Rezession zu sparen, widerspricht dem Prinzip der antizyklischen Wirtschaftspolitik. Anstatt die Wirtschaft durch gezielte Investitionen anzukurbeln, könnten diese Sparmaßnahmen die Krise noch verschlimmern. Weniger staatliche Ausgaben bedeuten weniger Nachfrage, was zu noch niedrigeren Steuereinnahmen führt – ein Teufelskreis, der die wirtschaftliche Erholung bremst.
Soziale Ausgaben sind kein Luxus. Sie sind notwendig, um den sozialen Frieden zu wahren und die Kaufkraft der Menschen zu stärken. Gerade in Krisenzeiten sind höhere Sozialausgaben entscheidend, um den Konsum zu stützen und die Wirtschaft anzukurbeln. Lindners Pläne, im Sozialstaat zu sparen, könnten die soziale Ungleichheit verschärfen und die wirtschaftliche Lage verschlimmern.
Auch der Mindestlohn spielt hier eine wichtige Rolle. Ein höherer Mindestlohn würde die Kaufkraft der Bürger erhöhen und gleichzeitig die Notwendigkeit für staatliche Aufstockungen im Bürgergeld reduzieren. Das würde langfristig den Staatshaushalt entlasten und die Steuereinnahmen durch höhere Löhne und mehr Konsum steigern. Diese positiven Effekte scheint Lindner jedoch zu übersehen.
Missverständnisse und falsche Rhetorik
Lindner argumentiert oft mit nominal steigenden Sozialausgaben, ohne die Inflation und das reale Wachstum der Ausgaben zu berücksichtigen. Diese „Nominalitis“ verzerrt die tatsächliche wirtschaftliche Situation. In inflationsbereinigter Betrachtung sieht die Lage oft ganz anders aus.
Seine Kritik an der Entwicklungshilfe ist ebenfalls problematisch. Entwicklungshilfe ist nicht nur moralisch geboten, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Sie stärkt langfristig den globalen Handel und damit auch die deutsche Wirtschaft. Die populistischen Beispiele von „Radwegen in Peru“ lenken von den tatsächlichen Vorteilen ab, die eine stabile und prosperierende globale Wirtschaft mit sich bringt.
Sozialstaat und Arbeitsmarkt
Lindners Behauptung, dass Arbeitslosigkeit subventioniert wird, ist nicht nur ungenau, sondern auch ungerecht. Die Realität des Arbeitsmarktes ist komplexer: Es gibt mehr Arbeitsuchende als offene Stellen, und nicht jeder Arbeitslose kann sofort eine passende Stelle finden. Statt die Betroffenen zu stigmatisieren, sollten wir die strukturellen Probleme des Arbeitsmarktes angehen.
Der Sozialstaat bietet Sicherheit und Struktur, was im Interesse der gesamten Gesellschaft liegt. Kürzungen im Sozialbereich könnten soziale Ungleichheit und Unsicherheit verstärken, was negative Folgen für die gesellschaftliche Stabilität und die Wirtschaft haben könnte. Eine starke soziale Sicherheit ist eine Investition in unsere gemeinsame Zukunft.
Die Schuldenbremse: Das eigentliche Problem
Ein zentrales Hindernis für eine sinnvolle Wirtschafts- und Sozialpolitik in Deutschland ist die Schuldenbremse. Diese im Grundgesetz verankerte Regelung zwingt den Staat, einen ausgeglichenen Haushalt anzustreben und verschärft so die Sparpolitik. Die Schuldenbremse begrenzt die Möglichkeiten des Staates, in Krisenzeiten notwendige Investitionen zu tätigen und wichtige soziale Ausgaben zu finanzieren.
Die Schuldenbremse basiert auf der veralteten Vorstellung, dass staatliche Schulden prinzipiell schlecht sind und die zukünftigen Generationen belasten. Diese Sichtweise ignoriert jedoch die Realität moderner Volkswirtschaften und die Notwendigkeit staatlicher Investitionen für nachhaltiges Wachstum und sozialen Zusammenhalt.
Die Perspektive der Modern Monetary Theory (MMT)
Aus Sicht der Modern Monetary Theory (MMT) ist die staatliche Verschuldung kein Problem, solange sie in der eigenen Währung erfolgt. Staaten wie Deutschland, die ihre eigene Währung kontrollieren, können theoretisch unbegrenzt Geld schaffen, um ihre Ausgaben zu decken. Wichtiger als das Defizit ist die Frage, ob die staatlichen Ausgaben produktiv sind und zur Stabilität und zum Wachstum der Wirtschaft beitragen.
Staatliche Ausgaben sollten als Investition gesehen werden, nicht als Kosten. Investitionen in Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und soziale Sicherheit erhöhen die Produktivität und das Wohlstandsniveau der Gesellschaft. Diese Ausgaben schaffen Arbeitsplätze, fördern Innovationen und stärken die Kaufkraft der Bevölkerung.
Ein häufiges Argument gegen höhere Staatsausgaben ist die Angst vor Inflation. MMT argumentiert jedoch, dass Inflation nicht durch staatliche Defizite per se verursacht wird, sondern durch das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Solange die staatlichen Ausgaben produktiv sind und die Wirtschaftskapazität nicht überlasten, besteht kein Inflationsrisiko. Die Kontrolle der Inflation sollte daher durch gezielte wirtschaftspolitische Maßnahmen erfolgen, nicht durch allgemeine Sparpolitik.
Eine expansive Fiskalpolitik, die auf Investitionen in den Sozialstaat und Infrastruktur setzt, schafft nicht nur wirtschaftliche Stabilität, sondern auch sozialen Zusammenhalt. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit sind staatliche Ausgaben ein wichtiges Instrument, um Arbeitsplätze zu sichern und die Lebensqualität der Bürger zu erhalten. Anstatt die Schuldenbremse strikt einzuhalten, sollte die Politik flexibel auf die wirtschaftlichen Herausforderungen reagieren können.
Fazit
Christian Lindners Haushaltspläne bereiten mir große Sorgen. Sparmaßnahmen in Krisenzeiten können die wirtschaftliche Situation verschärfen und die soziale Ungleichheit verstärken. Die Schuldenbremse stellt ein erhebliches Hindernis für notwendige staatliche Investitionen dar und sollte überdacht werden. Eine moderne Wirtschaftspolitik, die den Prinzipien der Modern Monetary Theory folgt, könnte die aktuellen Herausforderungen besser meistern. Investitionen in soziale Sicherheit, Infrastruktur und Innovationen sind der Schlüssel zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Erholung und einem gerechten sozialen Zusammenhalt.
Was denken Sie über die Haushaltspläne der Regierung und die Schuldenbremse? Schreiben Sie mir unter: ja@bernd-wroblewski.de