Wenn selbst der Mut nicht mehr reicht, um eine Wohnung zu bekommen

„Tut mir leid – die Wohnung ist schon weg.“
Fatma kennt diesen Satz zu gut. Alleinerziehend, drei Kinder, Teilzeitjob. In der Anzeige war die Wohnung noch verfügbar. Als sie sich meldet, wird ihr beschieden: vergeben. Später erfährt sie, dass die Besichtigung doch stattgefunden hat – nur ohne sie. Der Name, die Kinder, das Einkommen: alles spricht gegen sie.
So sieht stille Ausgrenzung aus. Nicht laut, nicht offen diskriminierend – aber systematisch. Und sie betrifft längst nicht nur Fatma.
Wohnraum wird zur Machtfrage
In der Paderborner Südstadt spitzt sich die Situation zu: Bezahlbare Wohnungen sind rar, und die Konkurrenz ist groß.
Laut aktueller Analyse der Neuen Westfälischen liegt der Bodenrichtwert hier zwischen 540 und 820 Euro pro Quadratmeter – einer der höchsten Werte in der Stadt. Besonders in der Mallinckrodtstraße werden Spitzenpreise erzielt.
Das macht klar: Wohnraum wird zur sozialen Eintrittskarte – und immer mehr Menschen werden ausgeschlossen.
Wer wenig verdient, alleinerziehend ist, Transferleistungen bezieht oder einen nicht-deutschen Namen trägt, hat kaum Chancen – auch wenn er alles tut, was gefordert wird.
Was früher eine Frage des Budgets war, ist heute eine Frage der sozialen Zugehörigkeit.
Wenn du nicht passt – bekommst du kein Zuhause
Viele Menschen erleben diese Realität:
Sie erhalten gar keine Rückmeldung auf ihre Bewerbung
Sie werden bei Besichtigungen übergangen
Ihnen wird durch die Blume signalisiert: „Sie passen nicht.“
Das betrifft:
Menschen mit Migrationsgeschichte
Alleinerziehende mit Kindern
Ältere Menschen mit kleinem Einkommen
Junge Erwachsene ohne festen Arbeitsvertrag
Diese Menschen werden nicht nur verdrängt – sie verschwinden. Aus Statistiken. Aus der Innenstadt. Aus unserem Blick.
Was das mit Würde zu tun hat
Eine Wohnung ist mehr als vier Wände.
Sie ist Rückzugsort, Sicherheit, Zugehörigkeit.
Wer dauerhaft abgelehnt wird, verliert nicht nur das Dach über dem Kopf – sondern auch das Gefühl, gewollt zu sein.
„Ich bin es leid, mich erklären zu müssen“, sagt Herr A., der mit seiner Tochter seit Monaten auf Wohnungssuche ist.
Jede Absage wird zur Bestätigung: Du bist nicht erwünscht.
Auch die Südstadt verändert sich – aber wie?
In der Paderborner Südstadt werden viele Wohnungen modernisiert. Das ist wichtig – aber es birgt Risiken:
Steigende Bodenrichtwerte befeuern diesen Trend zusätzlich. Die NW berichtet: „Wenn mal Immobilien zum Verkauf stehen, schnappten Gutverdiener zu.“ – ein klares Zeichen dafür, wie sich die soziale Mischung verändert.
Die Infrastruktur bleibt top – aber wer kann sie sich noch leisten?
Ohne klare politische Steuerung droht ein schleichender Strukturwandel – von unten nach oben.
Wie tief die Krise inzwischen reicht, zeigt auch mein Beitrag:
👉 Warum es immer schwieriger wird, ein Zuhause zu finden – Erfahrungen aus der Südstadt
Was hilft wirklich?
Wir brauchen eine Wohnungspolitik, die nicht nur auf Marktlogik setzt. Sondern auf Gerechtigkeit.
Mein Vorschlag – aus dem Südstadtplan 2025:
Mehr kommunaler Wohnungsbau – mit Belegungsbindung
Leerstand erfassen und für soziale Zwecke nutzen
Mieter:innenrechte stärken – z. B. durch städtische Beratungsstellen
Wohnungsangebote gezielt für Alleinerziehende, Ältere und junge Erwachsene
Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass sich Menschen in der eigenen Stadt fremd fühlen – oder gar keinen Platz mehr finden.
Die Würde beginnt an der Türschwelle
Wohnraum ist ein Menschenrecht. Und in der Kommunalpolitik ist er eine Pflichtaufgabe.
Wenn wir wollen, dass die Südstadt lebendig, vielfältig und gerecht bleibt, müssen wir genau hier ansetzen.
Nicht irgendwann. Nicht irgendwo.
Sondern jetzt – bei uns vor der Haustür.