Es bewegt sich etwas – endlich. Nach langer Verzögerung ist das Vorhaben, in Paderborn einen Gedenkort für die von den Nationalsozialisten verfolgten und ermordeten Sinti und Roma zu schaffen, wieder in der öffentlichen Diskussion. Und es wird konkret: Der frühere Friedhof am Heierstor soll zum Ort des Erinnerns werden – ein Ort, der wachsen darf, der lebendig bleiben soll.
Für mich ist dieser Fortschritt auch persönlich bedeutsam. Denn bereits im Jahr 2022 habe ich mich in meinem Blogartikel „Ein Mahnmal für die Sinti – Warum Paderborn jetzt handeln muss“ deutlich für einen solchen Gedenkort ausgesprochen. Damals schrieb ich: „Die Zeit drängt. Die Überlebenden und Zeitzeugen des Holocaust werden immer weniger. Es ist unsere Pflicht als Gesellschaft, ihre Geschichte am Leben zu halten.“ Diese Haltung hat für mich bis heute nichts an Gültigkeit verloren – im Gegenteil.
Warum der Gedenkort so wichtig ist
Die systematische Verfolgung von Sinti und Roma gehört zu den am meisten verdrängten Kapiteln der NS-Verbrechen – auch in Paderborn. Recherchen des Stadtarchivars Wilhelm Grabe zeigen: Mindestens 14 Menschen aus Stadt und Kreis Paderborn haben Konzentrationslager überlebt, mindestens acht weitere wurden deportiert. Ihre Namen und Geschichten fehlen bis heute in unserem kollektiven Gedächtnis.
Es ist daher richtig und notwendig, dass sich die Stadt nun bewegt. Die Idee eines „wachsenden Gedenkortes“, wie sie vom Kulturamt vorgestellt wurde, greift genau den Gedanken auf, den ich schon 2022 vertreten habe: Erinnerung darf kein starres Denkmal sein. Sie muss mit neuen Erkenntnissen wachsen – und mit dem gesellschaftlichen Bewusstsein.
Der richtige Ort – aber jetzt braucht es mehr als Symbolik

Der frühere Friedhof am Heierstor ist dafür gut gewählt: zentral gelegen, historisch geprägt, öffentlich zugänglich. Dass auch Vertreter*innen der Paderborner Sinti und Roma in die Planung eingebunden wurden, ist ein wichtiges Zeichen. Doch dieser Ort darf nicht nur ein gut gemeintes Symbol bleiben. Er muss Teil einer städtischen Erinnerungskulturwerden – sichtbar, begreifbar, lebendig.
Bildunterschrift:
Ehemaliger Friedhof des Domkapitulars – hier soll der Gedenkort entstehen.
Meine Forderungen an Politik und Stadtgesellschaft
Ich begrüße die aktuelle Entwicklung ausdrücklich – aber sie darf nicht das Ende, sondern muss der Anfang eines Prozesses sein. Deshalb fordere ich:
Pädagogische Anbindung: Schulklassen und Jugendgruppen sollen den Ort aktiv nutzen können – durch Materialien, Führungen, Workshops.
Digitale Sichtbarkeit: Die Geschichten der Betroffenen gehören auf eine städtische Website, ergänzt durch Zeitzeugnisse, historische Dokumente und Biografien.
Jährliche Gedenkveranstaltung: Der Ort muss dauerhaft im öffentlichen Bewusstsein verankert werden – durch Rituale, nicht durch bloße Schilder.
Klarer Antiziganismus-Begriff in der Gedenkkultur: Denn Diskriminierung endet nicht in der Vergangenheit.
Haltung zeigen – weil wir hier leben
Erinnerung ist kein Luxus. Sie ist ein Auftrag. Und gerade in einer Zeit, in der rechte Kräfte versuchen, die Geschichte umzudeuten, ist es umso wichtiger, dass Städte wie Paderborn Haltung zeigen. Der Gedenkort für die Sinti und Roma ist ein Prüfstein dafür, wie ernst es uns wirklich ist mit Menschenrechten, Demokratie und historischem Gewissen.
Ich werde diesen Prozess weiterhin kritisch-konstruktiv begleiten. Denn ich weiß: Gedenken beginnt mit Namen. Mit Geschichten. Mit Menschen. Und mit der Bereitschaft, nicht wegzuschauen – sondern Verantwortung zu übernehmen.