Ein Schock beim ersten Blick
Ich spaziere durch den Geisselschen Garten. Die Luft ist kalt, aber klar. Die ersten Sonnenstrahlen kitzeln die kahlen Baumkronen. Doch irgendetwas fühlt sich anders an. Ich bleibe stehen, lasse meinen Blick schweifen und plötzlich trifft es mich wie ein Schlag: Da, wo noch vor Kurzem ein wilder, lebendiger Naturraum existierte, erstreckt sich nun eine trostlose Leere.
Hier lebte einmal die Natur
Ich erinnere mich an frühere Spaziergänge. An das sanfte Rascheln der Blätter, an das Summen der Insekten, an die Vögel, die in den dichten Sträuchern Schutz fanden. Ein kleines, verborgenes Paradies mitten in der Stadt. Und jetzt? Jetzt sehe ich nur noch die Spuren der Zerstörung. Kahle Erde, entwurzelte Sträucher, eine Natur, die nicht sanft zurückgeschnitten, sondern brutal ausgelöscht wurde.
Vereinbarungen mit Füßen getreten
Es war nie der Plan, diesen Raum so radikal zu verändern. Die Abmachung war klar: Eine sanfte, gesteuerte Entwicklung der natürlichen Vegetation. Keine Planierraupen, keine radikale Rodung. Doch nun ist all das, was über Jahre gewachsen ist, binnen weniger Tage verschwunden. Ein wertvoller Lebensraum wurde ohne Not zerstört. Und mit ihm ein Stück Stadtgeschichte, ein Stück Natur, das uns allen gehörte.
Wer entscheidet über unsere Natur?
Ich frage mich: Warum? Wer hat entschieden, dass dieses kleine Paradies weichen muss? Warum wurde die Stimme derer, die sich für den Schutz dieser Fläche eingesetzt haben, einfach ignoriert? Wir haben immer wieder betont, wie wichtig es ist, behutsam vorzugehen, die Natur zu respektieren, nicht einfach zu überfahren, was sich nicht wehren kann. Doch nun stehen wir hier, vor vollendeten Tatsachen.
Was bleibt? Wut und Entschlossenheit!
Mein Blick wandert über die kahlen Stellen, die kleinen rosa Markierungen im Boden, die anzeigen, dass hier einmal etwas war. Etwas, das nicht mehr zurückkommen wird. Ich spüre Wut, Enttäuschung, aber auch Entschlossenheit.
Denn es kann nicht sein, dass Natur immer wieder als letztes Glied in der Kette betrachtet wird. Dass sie geopfert wird für „Gestaltungsmaßnahmen“, ohne zu verstehen, dass sie selbst die beste Gestaltung ist, die es gibt.
Wir dürfen nicht schweigen!
Wir müssen lauter werden. Wir müssen fragen, fordern, erinnern. Daran, dass eine Stadt nicht nur aus Beton, Gehwegen und Parkplätzen besteht. Sondern auch aus den stillen, wilden, grünen Orten, die uns Kraft geben, die unsere Luft reinigen, die uns lehren, dass das Leben mehr ist als das, was geplant und gestaltet werden kann.
Lassen wir das so stehen?
Heute ist der Geisselsche Garten ein Stück leerer geworden. Aber die Frage ist: Lassen wir das so stehen? Oder sorgen wir gemeinsam dafür, dass sich so etwas nicht wiederholt?